...an das abgerockte haus in der zeißstrasse nr. 107 in hamburg. ein filmproduzent hatte es gekauft, um seinen teil von der gentrifizierung ottensens abzubekommen. da ich zu der zeit als vorschnitt-redakteurin für eine fernsehproduktion arbeitete, erfuhr ich von einer freien wohnung darin.
‚kunst ist ein lebensmittel‘, das war der leitende gedanke des lebensmittelgeschäftes, in den meine eigenen existentiellen erfahrungen mit künstlerischem ausdruck, insbesondere im schreiben, dem malen und gestalten gemündet waren. die metapher des lebensmittels war auch ausdruck für meine überzeugung, dass künstlerisches schaffen über die individuelle erfahrung hinaus relevant ist.
'ich bin auf der welt, um etwas schönes zu machen'. ich gestalte nicht, um etwas schönes zu erschaffen oder jemanden zu erfreuen. ich möchte erforschen, transformieren, mich erleichtern und verstehen lernen, mit den händen denken, verbinden von kopf-herz-hand – das ist schön, erfüllend, sinngebend für mich.
ich erinnere mich an die wohnung im hochparterre, die gerade renoviert wurde, und ich konnte eigene ideen bei der gestaltung von küche und bad einbringen z.b. in der form, bad und küche in einem raum gestaltet waren, getrennt lediglich durch eine halbhohe mauer, hinter der die badewanne stand, was dem raum die offenheit eines kleinen lofts gab.
ein hohes, schmales fenster in der wohnstube ermöglichte einen zugang zum angrenzenden verwilderten garten und spielplatz, so konnten meine katzenschwestern mikesch und nevada – die mir im brauerknechtgraben zugelaufen waren, um zu bleiben – nach belieben spazierengehen.
ich erinnere mich daran, dass ich begann, nach und nach zugang zur ottensener künstler.innenszene zu knüpfen. bald mietete ich mich bei stefanie ritter, einer fotografin, die in der kleinen rainstrasse ein geräumiges atelier im erdgeschoss hatte, für meine schreibwerkstätten ein. die verbindung entstand über den architekten ulrich thormann und den deutsch-japanischen kulturaustausch. die werkstätten waren autobiografisch-künstlerisch ausgerichtet und hießen 'betten meines lebens' u.ä.; teilnehmer.innen waren interessierte aus meinem bekannten- und freundeskreis.
meine wohnung hatte ein zimmer, das ich wechselweise als schlafstube oder als wohnatelier nutzte. die wand im flur hatte ich mit überformatigem weißem plotterpapier bespannt und begonnen, eine wachsende alltagscollage-installation darauf zu arbeiten. zu der zeit experimentierte ich viel mit alltagsmaterialien, ebenso mit stempeln, papieren, natürlich jeder menge blanko-bücher, journale, hefte, in die ich schrieb und zeichnete.
das buch als traditionelle umgebung von schreiben, geschichten, gedichten. als buchaffine erweiterte ich mein forschungs-, ausdrucks- und experimentierinteresse auch auf das buch, seine handwerklichen felder und gewerke wie papierschöpfen, buchbinden sowie seine kulturgeschichtlichen dimensionen.
für die eröffnung des ersten lebensmittelgeschäftes erstellte ich begleitmarterial, die die material- und gestaltungssprache von einzelhandel und supermärkten aufnahm. dazu gehörten auch erneute übersetzungen, metphorische analogien meiner erfahrungen aus meiner gestalttherapie-ausbildung, wie zb die 'rabattmarkenheftchen'.
gezeigt wurden abschlussarbeiten von teilnehmenden aus einer schreibwerkstatt mit dem themengebenden titel 'mein eigenes leben' 1999
ich erinnere mich an den Jahreswechsel 1999 auf 2000, der mir, wie vielen, als etwas ganz besonderes galt, erlebten wir doch zugleich auch einen jahrhundert- und jahrtausendwechsel. künstlerisch reagierte ich darauf, dass ich die idee einer 'wortrakete' skizzierte, die wichtige worte aus dem alten jahrtauscend mit ins neue nehmen wollte, wenn sie zu sylvester gezündet wird und aufsteigt und die wichtigen worte einem feuerwerk gleich in die lüfte des neues jahres und jahrtausends freiläßt.
wir feierten in unserer werkstatt in begleitung mehrerer künstler.innen-freund.innen wie maksa, peter markhoff, britta bonifacius u.a.
ich hatte die projektidee auf der dozent.innen-ausstellung im rahmen der sommerakadenie des riesa-efau im sommer 1999 als interaktive installation vorgestellt, mit der ich öffentlich individuell wichtige worte der besucher.innen und teilnehmer.innen sammelte.
im sommer 2000 setzte ich meine sammlung im rahmen der jährliche konferenz der eataw - european association of teaching academic writing in gronigen fort.
allerdings ist die wortrakete bis heute nicht real abgehoben. nach recherchen und rücksprachen mit special-effcts- und pyro-ingenieuren fand sich keine geeignete umsetzung. die wortsammlung habe ich archiviert.
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